Viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen befinden sich aufgrund der Covid-19-Pandemie aktuell in Kurzarbeit. Als wäre dies und die damit verbundenen Einkommenseinbußen für viele Betroffene nicht bereits schlimm genug, droht im Jahr 2021 weiterer Ärger.
Im Rahmen der wegen des Bezugs des Kurzarbeitergelds in diesem Jahr verpflichtenden Steuererklärung kann eine Steuernachzahlung bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit drohen. Grund dafür ist die Funktionsweise des Kurzarbeitergelds und des deutschen Steuersystems.
Um zu verstehen, wieso eine Steuernachzahlung bei Arbeitnehmer in Kurzarbeit drohen kann, ist es wichtig, Sinn und Funktionsweise des Kurzarbeitergeldes zu verstehen. Kurzarbeitergeld ist eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, die dazu dient, den Verdienstausfall des Arbeitnehmers oder Arbeitnehmerin zumindest teilweise aufzufangen und betriebsbedingte Kündigungen soweit wie möglich zu vermeiden. Für Arbeitgeber besteht unter gewissen Voraussetzungen – namentlich denen des §§ 95 ff. SGB III – die Möglichkeit, mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen Kurzarbeit zu vereinbaren und Kurzarbeitergeld zu beantragen.
Dabei besteht nach § 95 SGB III ein Anspruch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin auf Kurzarbeitergeld, wenn
Im Rahmen der Kurzarbeit erhalten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen regulär 60% der Netto-Entgeltdifferenz im Anspruchszeitraum als sogenanntes Kurzarbeitergeld (§ 105 SGB III). Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen, erhalten dagegen grundsätzlich 67% der Netto-Entgeltdifferenz im Anspruchszeitraum als Kurzarbeitergeld.
Besonderheiten ergeben sich dagegen im Rahmen der COVID-19-Pandemie gemäß § 421c SGB III, welche vorübergehende Sonderregelungen im Zusammenhang mit Kurzarbeit und dem Bezug von Kurzarbeitergeld durch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen trifft. Dabei trifft § 421c Abs. 1 SGB III zunächst eine Sonderregelung in Bezug auf die Anrechnung von geringfügigen Beschäftigungen für die Dauer des Bezugs von Kurzarbeitergeld, während § 421c Abs. 2 SGB III eine Staffelung des Kurzarbeitergelds für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ab einem gewissen Bezugszeitraum vorsieht.
Wichtig für Sie als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im kommenden Jahr ist gemäß § 421 Abs. 1 SGB III zunächst, dass für den Zeitraum vom 01. Januar 2021 bis zum Ablauf des 31.12.2021 Entgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommen wurde, in Abweichung zu § 106 Abs. 3 SGB III dem Ist-Entgelt nicht hinzugerechnet wird.
Eine weitere Besonderheit ergibt sich mit Blick auf die Höhe des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld nach § 105 SGB III. Bis zum 31.12.2021 beträgt das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen würden, ab dem vierten Bezugsmonat 77 Prozent und ab dem siebten Bezugsmonat 87 Prozent, während es für die übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem vierten Bezugsmonat 70 Prozent und ab dem siebten Bezugsmonat 80 Prozent der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum beträgt, soweit der Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2021 entstanden ist und die Differenz zwischen Soll- und Ist-Entgelt im jeweiligen Monat mindestens 50 Prozent beträgt.
Doch wie kommt es nun zur Gefahr der Steuernachzahlung bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit? Dies liegt an der sogenannten Steuerprogression und dem sogenannten Progressionsvorbehalt.
Der Begriff der Steuerprogression bedeutet schlicht, dass mit steigendem Einkommen oder Vermögen sich der Steuersatz ebenfalls anteilig erhöht. Der Gedanke hinter der Steuerprogression ist, dass es die Gerechtigkeit gebiete, dass derjenige, der finanziell leistungsfähiger ist, einen höheren Prozentsatz seines Einkommens zu zahlen fähig ist und zu zahlen habe als der wirtschaftlich Schwächere (BVerfGE 8, 51 – Urteil vom 24. Juni 1958).
Bei dem sogenannten Progressionsvorbehalt handelt es sich um eine Erscheinung des deutschen Steuerrechts. Der Progressionsvorbehalt besagt nichts anderes als dass Einkünfte, die an und für sich steuerfrei sind, den maßgeblichen Steuersatz dennoch erhöhen können. Der Progressionsvorbehalt folgt ebenfalls aus Gerechtigkeitserwägungen: Auch wenn die betreffenden Einkünfte an und für sich steuerfrei sind und bleiben, erhöhen diese dennoch die finanzielle Leistungsfähigkeit.
So verhält es sich auch mit dem Kurzarbeitergeld. Haben Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin Kurzarbeitergeld bezogen, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Dies ergibt sich aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 lit a) EStG. Das bedeutet, dass das von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bezogene Kurzarbeitergeld weiterhin steuerfrei ist und bleibt. Der Steuersatz für das übrige Einkommen kann sich jedoch erhöhen. Hieraus ergibt sich, dass eine Steuernachzahlung bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit möglich ist.
Allerdings kann keine allgemeinverbindliche Aussage darüber getroffen werden, ob mit einer Steuernachzahlung bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit zu rechnen ist, da dies vom Einzelfall abhängig ist. Sprich: Je nachdem, wie viel Lohnsteuer im vergangen Jahr gezahlt wurde, kommen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen folgende Szenarien in Betracht:
Haben Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin ausreichend oder zu viel Lohnsteuer im vergangen Jahr gezahlt, können Sie sich gegebenenfalls sogar über eine Steuerrückzahlung freuen. Dies kommt beispielsweise bei sogenannter „Kurzarbeit null“ in Betracht: Bei sogenannter „Kurzarbeit null“ arbeitet der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin nicht mehr. Eine Lohnzahlung erfolgt in diesem Fall ebenfalls nicht, sondern es wird lediglich Kurzarbeitergeld bezogen. Wurde während des vergangenen Jahres regulär gearbeitet und nur teilweise und zusätzlich zum regulären Arbeitsentgelt Kurzarbeitergeld bezogen, droht jedoch eine mögliche Steuernachzahlung bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit.
Anders als bei der drohenden Steuernachzahlung bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit drohen Ihnen im Hinblick auf die Sozialversicherungsbeiträge als Arbeitnehmer keinerlei Nachteile. Soweit weiterhin Arbeitsentgelt (sog. „Ist-Entgelt“) gezahlt wird, bleibt für Sie grundsätzlich alles beim Alten. Die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge werden lediglich dem tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt angepasst und werden wie üblich zwischen Arbeitgeber und -nehmer geteilt. Für das sogenannte „Fiktive Entgelt“, d.h. 80% desjenigen Entgelts, welches sich aus der Differenz zwischen dem sog. „Soll-Entgelt“ (d.h. dem üblicherweise ohne Kurzarbeit zu zahlenden Entgelt) und dem „Ist-Entgelt“ berechnet, trägt allein der Arbeitnehmer die Sozialversicherungsbeiträge.
Sprich: Für Ihren Arbeits- und Verdienstausfall tragen Sie als Arbeitnehmer die Sozialversicherungsbeiträge nicht, auch selbst wenn Sie sich als Arbeitnehmer in Kurzarbeit „null“ befinden.
Abzuwarten bleibt zunächst, ob der Gesetzgeber rechtzeitig tätig werden wird, um die steuerlichen Folgen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die im vergangenen Jahr Kurzarbeitergeld bezogen haben, zu mildern und eine drohende Steuernachzahlung bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit zu verhindern. Angesichts der durch die COVID-19-Pandemie verursachten angespannten finanziellen Lage ist allerdings fraglich, ob auf entsprechende Steuereinnahmen in der nächsten Zeit verzichtet werden kann.
Bewahren Sie jedoch Ruhe. Ob eine Steuernachzahlung bei Arbeitnehmern in Kurzarbeit droht, hängt – wie bereits dargelegt – von verschiedenen Faktoren ab, die allesamt einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung – optimalerweise durch einen steuer- und arbeitsrechtlich versierten Anwalt oder Steuerberater – bedürfen. Als arbeitsrechtlich versierter Anwalt biete ich eine umfassende Beratung in Bezug auf die Covid-19-Pandemie an und bin gerne bereit, Ihnen durch schwierige Zeiten wie diese zu helfen.
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