Bagatellverstöße im Arbeitsrecht

Arbeitsrecht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Bagatellverstöße im Arbeitsrecht

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Generell kommen Bagatellverstöße häufiger vor als gedacht. Grundlegend handelt es sich bei Bagatellen um „kleine, unbedeutende Sachen“ oder eben einfach formuliert um „Kleinigkeiten“. Spricht man von einer Bagatellstrafe, meint man somit eine sehr gering ausgefallene Strafe. Ein Bagatellverstoß ist daher eine Straftat, die nicht schwer wiegt.

Bagatellverstöße im Arbeitsrecht sind ebenso nicht selten. So handelt es sich dabei zum Beispiel um das Stehlen eines Brötchens als Bäckereifachverkäuferin oder aber um das Einstecken eines Schraubenschlüssels als Kfz-Mechaniker. Kein Bagatellverstoß sei es hingegen, wenn ein Bundespolizist während seiner Streife einschläft, so das Verwaltungsgericht Wiesbaden, da es sich bei der ausgeführten Tätigkeit um eine Kernpflicht aus seinem Arbeitsverhältnis handelt. So ist es möglich sich unendlich verschiedene Fallkonstellationen auszudenken, in denen ein Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung im Rahmen seines Arbeitsvertrages begehen kann. Denn Pflichtverletzungen sind dies dennoch in allen Belangen. Grundlegend kann es so auch zu einer Abmahnung durch den Arbeitnehmer für eben so ein Bagatellverstoß im Arbeitsrecht kommen. Eher seltener, aber dennoch möglich sind fristlose Kündigungen, bei dem der Schrei der Öffentlichkeit nach Gerechtigkeit aktuell doch sehr groß zu sein scheint.

Dafür dient als gern genommenes Beispiel der berühmte Fall von Deutschlands bekanntester Supermarktkassiererin „Emmely“, denn die Dame aus Berlin wurde wegen Unterschlagung zweier Pfandbons in Höhe von 1,30 € fristlos gekündigt. Wichtig ist dabei, dass in diesem Fall keine vorherige Abmahnung des Arbeitgebers wegen diesem oder einem ähnlichen Bagatellverstoß ausgesprochen worden ist. Gegen dieses Urteil hat „Emmely“ in Berlin vor dem Landesarbeitsgericht geklagt und in dieser und der vorherigen Instanz auch verloren. Der Arbeitgeber sprach in seiner Begründung davon, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber irreparabel zerstört gewesen wäre.

Nicht entmutigt von diesem Urteil ging „Emmely“ an das höchste deutsche Arbeitsgericht. Erst diese letzte Instanz revidierte das Urteil des Landesarbeitsgerichts. Die Entlassung sei nicht gerechtfertigt gewesen, da es sich nur um eine „nicht erhebliche Pflichtverletzung“ handle. Eine simple Abmahnung hätte in diesem Falle durch den Arbeitgeber ausgereicht. Weiter hieß es in der Begründung des Richters, dass eine sehr lange Betriebszugehörigkeit nicht dadurch zerstört werden kann, wenn ein Bagatellverstoß im Arbeitsverhältnis vorliegt. „Emmely“ musste folglich wieder eingestellt werden. Das Landesarbeitsgericht Berlin habe, so die Meinung der letzten Instanz, die genaueren persönlichen Umstände des Falles „Emmely“ nicht genau genug durchleuchtet und eine zu schnelle erhebliche Pflichtverletzung angenommen.

Betrachtet man den § 626 des bürgerlichen Gesetzbuches, so schreibt dieser selbst vor, dass ein Dienstverhältnis, was nichts anderes ist wie ein Arbeitsverhältnis, aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden kann, soweit Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unmöglich machen. Dabei spricht das Gesetz selbst davon, dass alle Umstände des Einzellfalls berücksichtigt werden müssen und eine Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, stattgefunden haben muss. Vor allem ist relevant, dass es bei einer fristlosen Kündigung nach Absatz 2 des § 626 BGB eine Frist von zwei Wochen gibt, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gekündigt haben muss. Fristbeginn ist dabei der Zeitpunkt, indem der Arbeitgeber von dem Umstand der Pflichtverletzung erfährt. Was der gekündigte Arbeitnehmer auf jeden Fall machen sollte ist es, sich den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen zu lassen, wenn dies noch nicht erfolgt sein sollte. Die Kündigung selbst muss ebenso schriftlich und in Papierform erhalten worden sein.

Nicht darf man dadurch aber denken, dass der Diebstahl von geringwertigen Sachen (Bagatellverstoß) nicht in einer fristlosen Kündigung enden kann. Denn im groben muss man sich eingestehen, dass der Arbeitgeber im Recht ist. Der Arbeitnehmer hat sich eine Pflichtverletzung zuzuschreiben, die er gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten hat. Dabei ist es für einen Arbeitsrechtler erstmals unbeachtlich, ob es sich beim Diebstahl um 1,30 € Pfandbons oder um den „goldenen Kochlöffel“ handelt. Wichtig ist, es muss hierbei gezielt auf den Einzellfall geguckt werden. So sprechen zum Beispiel Gründe für eine Bagatelle, wenn es keine Wiederholungsgefahr gebe oder gar eine lange Betriebszugehörigkeit für den Arbeitnehmer und gegen den Arbeitgeber spreche. Vielleicht hat der Arbeitnehmer aber auch ganz andere Gründe für sein Handeln. Möglicherweise spielen Verzweiflungen aufgrund von Schulden und Geldnot eine Rolle, so kann der Arbeitgeber vielleicht auch noch mit einem anderen Auge auf die Tat schauen und etwas mehr Verständnis für den eigenen Arbeitnehmer aufbringen. Generell sollte der Arbeitgeber darauf schauen für sich und den Arbeitnehmer immer die friedfertigste und schonendste Lösung zu finden.

Anders gegangen ist es nämlich einer Bäckereifachverkäuferin, die wegen eines Stücks Bienenstich, welches sie aus der Theke nahm, ohne dafür zu bezahlen, fristlos gekündigt wurde. Dies hatte ein Arbeitsgericht bereits 1984 so entschieden. Möglich ist aber auch, dass man wegen eines Bagatellverstoßes gekündigt wird und ein Teilrecht im Rechtsstreit bekommt. So entfaltete eine fristlose Kündigung zwar ihre Wirkung, allerdings entschied das baden-württembergische Landesarbeitsgericht für eine Abfindung in Höhe von 25.000,00 € für die Gekündigte.

So darf man folglich zusammenfassen, dass es bei einem Diebstahl von geringwertigen Sachen (Bagatellverstoß) zwar zu Belastungen des Vertrauensbereiches zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt, allerdings das „Gesamtpaket“ Arbeitsverhältnis mit all seinen Umständen zu betrachten ist. Demnach bedarf es im Regelfall immer erst einer Abmahnung gegenüber dem Arbeitnehmer.

Eine Abmahnung ist dann immer in Betracht zu ziehen, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich verankerten Pflichten verletzt hat. Die Abmahnung hat dabei den Zweck, den Arbeitnehmer auf die Verletzung und die Einhaltung seiner Pflichten hinzuweisen. Es soll ihm demnach eine Gelegenheit gegeben werden, sein Fehlverhalten zu korrigieren. Allerdings dies natürlich wiederum nur, wenn es sich bei dem bemängeltem Fehlverhalten nicht um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handelt. Eben dann in so einem Fall wie einem Bagatellverstoß. Gründe für eine Abmahnung liegen dabei entweder in schlechter Leistung des Arbeitnehmers oder in dessen Fehlverhalten wie einem Diebstahl selbst. Zu beachten ist dabei, dass die Abmahnung auch nicht ewig auf sich warten lassen darf. Der Arbeitgeber muss auch hier zeitnah handeln, um sein Recht auf eine Abmahnung wegen des Bagatellverstoßes nicht zu verwirken. So hat zum Beispiel eine Abmahnung ein halbes Jahr nach Vorfall im Normalfall kein Bestand mehr. Der Arbeitgeber hat dann sein Recht zur Abmahnung grundsätzlich verwirkt. Auch hier kommt es wieder auf den Zeitpunkt an, an dem der Arbeitgeber von dem Bagatellverstoß Kenntnis erlangt hat.

Generell sollte der Arbeitgeber also erst all seine ihm zur Verfügung stehenden Sanktionsmittel ausgeschöpft haben, bevor er zu einem solch drastischen Mittel wie der fristlosen Kündigung greift. Der Arbeitgeber muss daher abwägen, ob es nicht doch noch ein milderes Mittel gibt, um den Bagatellverstoß im Arbeitsrecht anders abzuhandeln, und dem Arbeitgeber eine andere Lösung zu ermöglichen. Oftmals ist es auch so, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vortäuscht ihm gut zuzuspielen, wenn man ihm anstatt der fristlosen Kündigung ein Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis betreffend anbietet. Allerdings hat ein Aufhebungsvertrag im allgemeinen, auch wegen Bagatellverstößen im Arbeitsrecht, oftmals viele Nachteile für den Arbeitnehmer. So verzichtet der Arbeitnehmer möglicherweise auf Vorschriften des Kündigungsschutzes, es findet keine Anhörung der Kündigung durch den Betriebsrat statt, der Kündigungsschutz für Schwangere und Behinderte entfällt, die Aussicht auf betriebliche Zusatzrente kann entfallen oder aber am wichtigsten ist, dass man eine dreimonatige Sperrzeit bezüglich des Arbeitslosengeldes riskiert.

Wenn man doch trotz aller weiteren Umstände die eigene Kündigung in den Händen hält, ist noch nicht alles verloren. In diesen Fällen sollte der Gekündigte eine Kündigungsschutzklage einreichen, denn dies ist grundsätzlich gegen alle möglichen Arten der Kündigung möglich. Sprich egal, ob es sich hierbei um eine ordentliche, eine außerordentliche oder eine außerordentliche fristlose Kündigung handelt. Dabei darf man nur nicht allzu lange warten, denn die Klage muss zwingend in den ersten drei Wochen nach Erhalt der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht worden sein. Auf der Grundlage dessen, ist es bei vielen Arbeitgebern nicht auch unmöglich, dass so eine mögliche Abfindung zu zahlen oder aber ein gutes bis sehr gutes Arbeitszeugnis zu erstellen ist.

Ein Arbeitnehmer, der wegen eines Bagatellverstoßes im Arbeitsrecht fristlos gekündigt wurde, sollte sich daher nicht komplett verunsichern lassen und sich auf keinen Fall direkt zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages drängen lassen. Eher steht es unweigerlich im Raum, dass der zukünftige Mandant sich in jedem Fall (fach-)anwaltlich beraten lassen sollte, denn seine Rechtsposition ist oftmals gar nicht so ungünstig wie es scheint oder man es annimmt. Das verdeutlicht der Fall „Emmely“ in allen Belangen, auch wenn der Weg der deutschen Gerichtsbarkeit manchmal hartnäckig und länger scheint als angenommen.

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